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Briefe ins Gefängnis: Ukrainischen Zivilpersonen in russischer Haft schreiben

In Gefängnissen in Russland und in den besetzten Gebieten werden mehr als 16’000 ukrainische Zivilpersonen unrechtmässig festgehalten. Wir erklären, warum jede Postkarte zählt und wie du diese Menschen auch aus dem Ausland erreichen kannst.

Ausgangslage

Mit Beginn des Angriffskrieges 2022 hat Russland die Repressionen gegen ukrainische Staatsbürger*innen in den besetzten Gebieten verstärkt. Auf der Krim und im Donbas begann die politisch motivierte Verfolgung bereits im Zuge der Annexion der ukrainischen Halbinsel beziehungsweise des Krieges im Osten der Ukraine im Jahr 2014.

So hat Russland Strafverfahren gegen ukrainische Bürger*innen wegen ihrer journalistischen oder menschenrechtlichen Arbeit oder aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit eingeleitet.

Auch die Teilnahme an Protesten gegen den Krieg und öffentliche Kritik am russischen (Besatzungs-)Regime dienen als Vorwand für rechtswidrige Verhaftungen, ebenso Anklagen wegen angeblicher Sabotage, Terrorismus, Extremismus und Spionage. Mit den politisch motivierten Verfahren versucht Russland die ukrainische Regierung zu Zugeständnissen zu zwingen.

Warum jede Postkarte zählt

Warum jede Postkarte zählt

Ihre Worte können ukrainischen Gefangenen in russischer Haft Hoffnung und Kraft geben. Zugleich ist ein Brief oder eine Postkarte mehr als nur Unterstützung und ein Zeichen der Solidarität – gerade in der Masse können sie ein wirksames Werkzeug für internationale Aufmerksamkeit sein.

  • Solidarität zeigen: Es erinnert die Gefangenen daran, dass sie nicht vergessen sind.
  • Hoffnung bringen: Ein Brief kann selbst die dunkelsten Gefängnistage erhellen.
  • Schutz bieten: Gefangene haben weniger Misshandlungen zu befürchten, wenn die Welt hinsieht.
  • Wirkung schaffen: Eine kleine Geste Ihrerseits kann das Leben eines Menschen nachhaltig beeinflussen.

Wie deine Post ukrainische Gefangene in Russland erreicht

Leider dürfen wir und auch ukrainische Organisationen keine Adressen von Gefangenen veröffentlichen. Grund dafür ist ein von Russland 2023 verabschiedetes Gesetz, was vorgeblich personenbezogene Daten schützen soll. Eine Veröffentlichung würde die Anwält*innen und die Familien der politischen Gefangenen in Gefahr bringen. Deswegen stellen wir dir auf dieser Seite regelmässig wechselnde Gefangene vor, an die du einen Brief oder eine Postkarte richten können.

Wie du einen Brief oder eine Postkarte schickst:

  • Sende dann deine Post an LIBERECO und wir leiten die Briefe und Postkarten an die jeweiligen ukrainischen Gefangenen in russischen Gefängnissen weiter.
  • Lasse bitte auf Postkarten Platz für die Adresse.
  • Frankiere die Postkarten oder Briefe gerne selbst: Das Porto nach Russland beträgt CHF 1.90 (bis 20 Gramm), CHF 3.10 (bis 50 Gramm) bzw. CHF 4.30 (bis 100 Gramm). Falls du dir unsicher bist, übernehmen wir das Frankieren für dich und freuen uns über eine Spende.
  • Packe die Postkarte oder den Brief in einen Umschlag und schicke diesen an unsere Geschäftsstelle in Zürich:

LIBERECO – Partnership for Human Rights
Stichwort: Ukrainische Gefangene
Hohlstrasse 176
8004 Zürich

Was du beim Schreiben beachten solltest

  • Die Briefe sollten ausschließlich auf Russisch geschrieben werden. Du kannst dafür ruhig den Google Übersetzer oder DeepL nutzen. Briefe auf Ukrainisch (oder jeder anderen Sprache) kommen aufgrund der Zensur oft nicht bei den Gefangenen an.
  • Achte darauf, dass deine Post insgesamt nicht mehr als 100 Gramm wiegt – das ist das Maximalgewicht, das die Gefängnisregeln zulassen
  • Stelle dich vor: Erzähle, wer du bist, wo du arbeitest oder studierst und warum du dem oder der Gefangenen schreibst.
  • Falls dir der Anfang schwerfällt, denke daran, wie du dich mit einem zufälligen Mitreisenden in einem Zug unterhalten würdest (weiter unten auf dieser Seite haben wir zudem Beispieltexte vorbereitet, inklusive Übersetzung).
  • Teile Neuigkeiten: Berichte über Natur, Kunst, Musik, Filme oder interessante Fakten.
  • Worte der Unterstützung: Das Wichtigste für Gefangene ist zu wissen, dass die Welt sie nicht vergessen hat. Briefe aus dem Ausland können eine wichtige mentale Stütze sein.
  • Wähle bei einer Postkarte neutrale Motive: Natur, Blumen, Tiere, Stadtansichten – verwende keine ukrainischen Symbole, damit die Karte nicht der Zensur zum Opfer fällt.
  • Gedichte oder Zitate sollten ebenfalls neutral und auf Russisch sein.
  • Wenn du möchtest, kannst du deine Absenderadresse erwähnen und ein leeres Blatt Papier beilegen. Es ist möglich, dass du eine Antwort erhalten wirst.

Welche Themen und Wörter du vermeiden solltest

  • Vermeide jegliche politische Themen sowie Kritik oder abwertende Aussagen über russische Behörden, russische Persönlichkeiten, russische Sicherheitsdienste oder die russische Armee.
  • Verzichte ebenso auf Schimpfwörter, Codes, unklare Symbole oder Inhalte, die als anstössig empfunden werden könnten.
  • Vermeide Aufrufe zur Flucht oder zu rechtswidrigen Handlungen, auch nicht als Scherz.
  • Stelle keine Fragen zum Strafverfahren – das kann schaden.

Schreibe diesen Gefangenen

Schreibe diesen Gefangenen

1. Vladyslav Yesypenko (Владислав Єсипенко)

Vladyslav war Journalist und berichtete von der besetzten Krim. Seine Recherchen über Repression und Alltag unter russischer Besatzung erschienen unter anderem bei Radio Free Europe/Radio Liberty. Am 10. März 2021 wurde er einen Tag nach einer Gedenkveranstaltung für Taras Schewtschenko festgenommen. Auf Grundlage gefälschter Beweise wurde er zu sechs Jahren Haft verurteilt wegen “Besitz und Transport von Sprengstoff”.  Im Berufungsverfahren wurde die Strafe auf fünf Jahre reduziert. Nach eigener Aussage wurde er in Gefangenschaft gefoltert. Sein Fall steht exemplarisch für die russische Repression gegen unabhängigen Journalismus in den besetzten Gebieten.

 

2. Ivan Yatskin (Іван Яцкін)

Ivan war ein ehemaliger ukrainischer Polizist, der sich nach der Besetzung der Krim weigerte, zum russischen Polizeiapparat überzulaufen. Ihm wird vorgeworfen, Informationen über Kollaborateure an den ukrainischen Geheimdienst weitergegeben zu haben. Während seiner Haft im FSB-Gefängnis Lefortowo wurde er gefoltert. Nach Aussagen seiner Familie wurde er barfuss bei eisigen Temperaturen festgehalten.

 

3. Aziz Akhtemov (Азіз Ахтємов)

Aziz ist Automechaniker und Bruder des Journalisten Asan Akhtemov, der über die Repressionen gegen die Krimtataren berichtete. Beide wurden entführt und gefoltert, um sie zu unwahren Zeugenaussgen gegen den Aktivisten Nariman Dscheljal zu zwingen. Sie wurden der Sabotage an einer Gaspipeline beschuldigt. Der Prozess offenbarte zahlreiche Fälschungen und Fälle von Folter.

4. Rustem Gugurik (Рустем Гугурік)

Rustem war Taxifahrer und floh mit seiner Familie aus seiner Heimatstadt Nowooleksijiwka, die am zweiten Tag des großangelegten russischen Angriffs besetzt wurde. Er floh in Richtung Krim. An einem Blockposten der Besatzungsmacht wurde er festgenommen und beschuldigt, an der Lebensmittelblockade 2014 teilgenommen zu haben. In Haft wird ihm medizinische Versorgung verweigert. Rustem leidet an Herzproblemen und benötigt dringend medizinische Hilfe. Er wurde zu acht Jahren und sechs Monaten Haft in einem Hochsicherheitsgefängnis verurteilt. Als Krimtatare erfährt er zusätzliche Diskriminierung.

 

5. Remzi Bekirov (Ремзі Бекіров)

Remzi war Journalist und dokumentiert Hausdurchsuchungen und Verfolgungen gegen Krim-Tataren, nachdem unabhängige Medien aus der Krim verdrängt wurden. 2019 wurde er zusammen mit 24 weiteren Personen festgenommen. Er wurde der Mitgliedschaft in einer „terroristischen Vereinigung“ beschuldigt. Im Gefängnis wird er regelmässig wegen seiner Religionsausübung bestraft. Er befindet sich 4’500 Kilometer von seiner Familie entfernt in Sibirien, was Besuche fast unmöglich macht. Das raue Klima gefährdet seine Gesundheit.

Beispieltexte

Beispieltext 1

Дорогой(ая) [Имя],

хочу, чтобы ты знал/знала, что ты не один/одна. Несмотря на все трудности, через которые ты сейчас проходишь, помни, что твоя сила и стойкость вдохновляют многих. Мы все верим в тебя и поддерживаем тебя на расстоянии. Эти трудные времена пройдут, и впереди откроется новый светлый путь. Ты справишься со всем, что случилось, и выйдешь из этого сильнее. Мы думаем о тебе! Держись.

С уважением,

[Твое имя] из [название страны]

Übersetzung:

Lieber/Liebe [Name],

ich möchte dir sagen, dass du nicht allein bist. Auch wenn du momentan durch schwierige Zeiten gehst, erinnere dich daran, dass deine Stärke und Ausdauer vielen Menschen Hoffnung geben. Wir alle glauben an dich und unterstützen dich aus der Ferne. Diese schwierigen Zeiten werden vergehen, und vor dir liegt ein neuer, heller Weg. Du wirst diese Herausforderungen überwinden und mit neuer Kraft aus ihnen hervorgehen. Wir denken an dich! Bleib stark.

Mit freundlichen Grüßen,

[Dein Name] aus [Land]


Beispieltext 2

Дорогой(ая) [Имя],

Я хочу, чтобы ты знал(а), что многие люди думают о тебе и поддерживают тебя в этот сложный момент. Несмотря на все трудности, твоя стойкость и мужество вдохновляют. Ты проходишь через испытания, но я уверен(а), что сможешь справиться и выйдешь из этого еще сильнее.

Как говорил Альбер Камю: „В самой темной ночи есть свет, который мы должны искать.» Пусть эта мысль будет для тебя поддержкой и надеждой на лучшее. Сил тебе и терпения. Мы все ждем твоего возвращения.

С уважением,

[Твое имя] из [название страны]

Übersetzung:

„Lieber/Liebe [Name],

Ich möchte, dass du weißt, dass viele Menschen an dich denken und dich in dieser schwierigen Zeit unterstützen. Trotz aller Schwierigkeiten inspirieren deine Standhaftigkeit und dein Mut. Du gehst durch schwere Prüfungen, aber ich bin mir sicher, dass du sie überwinden wirst und gestärkt daraus hervorgehst.

Wie Albert Camus sagte: „In der dunkelsten Nacht gibt es ein Licht, das wir suchen müssen.“ Möge dieser Gedanke dir Unterstützung und Hoffnung auf eine bessere Zukunft geben.
Viel Kraft und Geduld. Wir alle warten auf deine Rückkehr.

Mit freundlichen Grüßen,

[Dein Name] aus [Land]

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