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In den Karpaten: Unser somatisches Sommerprogramm startet

Durch tiefes Ausruhen, körperorientierte Praktiken und ehrliche Gespräche stärkten wir unser Team und unterstützten Fachkräfte an der Front, die mit Veteran:innen, zurückgekehrten Kriegsgefangenen und Familien von Vermissten arbeiten. Selbstfürsorge, Sicherheit und Verbundenheit standen dabei im Mittelpunkt.

Imke Hansen

Imke Hansen

Stellvertretende Geschäftsführung & Leitung MHPSS

In den Karpaten: Unser somatisches Sommerprogramm startet

Durch tiefes Ausruhen, körperbasierte Praktiken und ehrliche Gespräche haben wir unser Team gestärkt und Fachkräfte an der Front unterstützt – jene, die mit Veteran:innen, befreiten Gefangenen und Familien der Vermissten arbeiten. Selbstfürsorge, Sicherheit und Verbindung standen dabei im Mittelpunkt. Wie im Flugzeug gilt: Erst sich selbst die Maske aufsetzen, dann anderen helfen. Im wunderschönen Ambiente der Karpaten starteten wir mit einem Fokus auf dem Team-Retreat und der Vertiefung unserer Resilienz und Fürsorgekompetenz.

Somatic Experiencing Ukraine Team-Retreat – Sicherheit und Vertrauen aufbauen

In der ersten Woche widmeten wir uns einem Team-Retreat mit drei Zielen:

  1. Rückblick und Bewertung unserer Arbeit – mit Lessons Learned und Zukunftsperspektiven
  2. Teambuilding und Zusammenhalt stärken
  3. Einen offenen und sicheren Raum für Reflexion schaffen

Teambuilding bedeutet nicht nur Spaß oder Spiele – es bedeutet Sicherheit schaffen. Diese ist entscheidend für gute Zusammenarbeit und Qualität – besonders in Zeiten von Schlafmangel, Stress und hohen Anforderungen. Sicherheit entsteht nicht nur durch äußere Rahmenbedingungen, sondern durch Verbindung – zu sich selbst, zu anderen und zur Natur.

Während des Retreats sprachen wir offen in Gruppen und Einzelgesprächen und stellten uns Herausforderungen: Wir gingen wandern und badeten in kalten Gebirgsgewässern. 

Wir teilen Erfahrungen, bei denen wir uns unsicher oder allein fühlten. Das schuf Vertrauen für eine aussagekräftige Evaluation – ein Prozess, der in NGOs oft gemieden wird. Doch er schafft Transparenz, klärt Spannungen und beflügelt frischen Mut und neue Ideen.

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Ein persönliches Highlight war mein Geburtstag: Wir feierten spielerisch unsere Stärken und „Superkräfte“, verkleidet als magische Wesen, mit Naturerlebnissen und kreativen Spielen. Am Lagerfeuer sangen wir und spürten deutlich: Wir sind ein Team. Wir lachen und weinen zusammen, kümmern uns um uns und andere, träumen laut und jonglieren Budgets – und reiten gemeinsam jede Welle, auch inmitten der zerstörerischen Realität in der Ukraine.

Unterstützung zurückgekehrter Gefangener & Veteran:innen – ein stabiles Fundament stärken

Unser zweites Retreat war eine tiefgreifende Erfahrung. Wir arbeiteten mit Menschen aus dem Netzwerk Vilnyy Step, die Rückkehrende aus russischer Gefangenschaft, verletzte Veteran:innen und Familien der Vermissten unterstützen. Angesichts schrumpfender Mittel und steigender Bedarfe wächst der Druck – sowohl in finanzieller als auch emotionaler Hinsicht. Wir wissen: Schlafen, Ausruhen und Erholen ist essenziell – und gleichzeitig nicht ausreichend.

Deshalb entwickelten wir ein mutiges Konzept: Wir stärkten die Grundlagen guter Arbeit mit vulnerablen Gruppen – jene Kompetenzen, die es ermöglichen, jede Erzählung würdevoll zu hören und angemessen reagieren zu können. Diese Wurzeln bilden die Basis für natürliche Handlung, Lebensflow und Resilienz. Sie wirken auf Körper und Nervensystem – sie stützen Instinkt, Sicherheitsempfinden und Verbindung zur Natur.

Alle Teilnehmenden sind Profis mit viel Trainingswissen – doch in der Praxis fehlt oft die Energie zur Umsetzung. Konflikte, Erschöpfung und Überforderung blockieren. Ein solides Fundament hingegen ermöglicht, all das Gelernte effektiv und ressourcenschonend anzuwenden.

Was haben wir dafür getan?
Wir arbeiteten an der somatischen Stabilität – mit Praktiken zur inneren Regulation, Energieschonung und erleichtertem Zugang zu Ressourcen. Wir entwickelten eine Präsenz, die sofort beruhigend auf andere wirkt.

Wie?
Mit Übungen, die Neugier wecken, Orientierung stärken und Körperwahrnehmung fördern – damit jeder erkennt, wann Pausen nötig sind. Wir integrierten Rhythmus und Absicht in bestehende Tools – und forderten wieder auf, authentisch zu sein. Hoffnungen und Gefühle sollten sichtbar werden, statt unter der Last des Pflichtbewusstseins zu verschwinden.

Verfasst von

Imke Hansen

Stellvertretende Geschäftsführung & Leitung MHPSS

Dr. phil. Imke Hansen ist Somatic Experiencing Practitioner (Traumatherapie) und Osteuropa-Historikerin. Sie arbeitet seit mehr als 20 Jahren mit Betroffenen von Krieg und Verfolgung und hat über Gewalterfahrungen publiziert. Sie ist spezialisiert auf traumainformierte psychosoziale Unterstützung für zivilgesellschaftliche Aktivist*innen und Menschen, die Gefangenschaft und Folter erlebt haben.

imke.hansen@libereco.org